Erfahrungsbericht Lisa
Freiwilligenarbeit in Südafrika, eine Erfahrung die für immer bleibt
Das Leben und Arbeiten in Kapstadt: Nachdem ich nun seit einigen Wochen wieder zurück in Deutschland bin, ist das Meiste wohl mehr oder weniger verarbeitet. Ab und an leben die Erinnerungen doch wieder auf, vor allem beim Anschauen der zahlreichen Bilder, die wir in Südafrika gemacht haben. Es ist, als wäre man wieder in eine andere Welt zurück gekehrt. Während den letzten fünf Wochen hat sich in meinem Leben viel verändert, vor allem ich und meine Einstellungen. Man konnte viele neue und interessante Erfahrungen machen, die mein Leben nun weiter prägen. Ich hatte die Möglichkeit ein Land kennenzulernen, indem nicht nur die Spanne zwischen Arm und Reich so unfassbar groß ist, sondern in dem auch die Menschen viel intensiver und wertvoller leben als wir es hier in Deutschland tun. Jeden Tag konnte man die Herzlichkeit und Freundlichkeit, ja die Gelassenheit der Menschen spüren und erleben.
Sei es auf dem Weg zur Arbeit oder beim Einkaufen an der Kasse, man nahm sich immer Zeit für ein Gespräch und jeder hatte ein Lächeln auf den Lippen. Neben diesen schönen Momenten in Kapstadt, gab es aber auch Momente die zum Nachdenken anregten. Vor allem die Anfangszeit der Freiwilligenarbeit war nicht einfach für mich. Ich kam in ein Land das so anders war als Deutschland, mit einer so großen Kriminalität, die man im Nachhinein jedoch nur selten spürte. Am ersten Arbeitstag kamen wir in die Krippe eines Mutter-Kind-Hauses, in dem wir nun vier Wochen arbeiten sollten. Zunächst einmal wussten wir nur, dass die Kinder von der Straße kamen, Mütter Alkohol-oder Drogenprobleme haben. Später erfuhren wir von den Hintergründen der Kinder: „Misshandlungen und sexuelle Übergriffe“ gehörten zum Alltag der 2-5 jährigen Kinder. Vor allem nach dem Wochenende war es am schlimmsten, die Kinder hatten häufig blaue Flecken und waren verstört. Eine Erfahrung, die mir zu schaffen machte. Ich musste erst einmal lernen, wie man damit umgehen soll. Klar hatte ich in meiner Ausbildung zur Erzieherin schon viel von solchen Fällen gehört, aber so richtig konfrontiert wurde ich damit noch nie. In den darauf folgenden Wochen haben wir die Bedeutung von richtiger Armut kennengelernt. Oftmals musste ich daran denken worüber Menschen hier in Deutschland jammern. Dort in Südafrika jammert fast keiner, die Menschen sind glücklich, auch wenn sie in kleinen Häusern mit mehreren Familien leben. Wir hier in Deutschland haben es aus meiner Sicht sehr viel besser, denn in der Krippe gab es Kinder, die hatten nicht einmal Schuhe in ihrer Schuhgröße, da die Mütter kein Geld dafür haben. Deshalb hatten die Kinder Schwellungen, blaue Flecken und Schmerzen an ihren Füßen.
Darüber hinaus gibt es sehr große Unterschiede zwischen der Erziehung in Europa und in Südafrika. Ich glaube es war in der zweiten Arbeitswoche, als wir 16 Kinder in einem Raum zu betreuen hatten. Man muss sich vorstellen, dass die Erzieherin normalerweise mit den Kindern alleine ist und die meisten der Kinder traumatisiert sind. Natürlich versuchten wir unser pädagogisches Wissen anzuwenden, aber ohne Erfolg. Das was in Deutschland mit hoher Wahrscheinlichkeit gelingen würde, konnten wir in Südafrika nicht anwenden. Man musste hier härter durchgreifen, sonst konnte man die Kinder nicht erreichen. Manche der Kinder haben eine Zukunftschance, aber auch nur dann, wenn sich ihre Mütter an die Regeln der Einrichtung halten. Für sie heißt das dann, keine Drogen, keine Gewaltund kein Alkohol.
Manchen gelingt das einhalten dieser Regeln nicht, die Folge davon: sie müssen das Mutter-Kind-Haus verlassen. Das schlimme und für mich bis heute unverständlichere daran ist, dass die Kinder mit ihren Müttern mitgehen müssen, da es in Südafrika kein Jugendamt gibt. Die meisten von ihnen landen dann wieder auf der Straße ohne Essen und ohne Geld, aber mit Gewalt, Alkohol und Drogen.
Trotzdem hat mir die Arbeit in der Einrichtung sehr gefallen und mich in meinem Berufsleben weitergebracht. Man konnte viele Erfahrungen sammeln und sich im Krippenalltag einbringen. Besonders erfreut war ich über das Vertrauen der Mitarbeiter gegenüber mir und die Freiheiten die sie uns gaben. Hatte man irgendein Problem konnte dieses offen angesprochen werden. Heute bin ich froh und stolz auf mich, diesen Schritt gewagt zu haben. Ich denke noch jeden Tag mehrmals an die schöne Zeit in Südafrika und bin mir sicher, auch wieder dorthin zurückzugehen. Auch wenn es nicht immer einfach war, es gab viel zu tun und es war eine gute, sinnvolle Arbeit. Ich denke, ich konnte den Menschen und vor allem den Kindern in ihrem Alltag etwas zur Seite stehen.
Ein großer Dank geht auch an die Organisation First Step Abroad, die immer für mich da war und mir eine gewisse Sicherheit geben konnte. Vor allem wenn man alleine in Kapstadt unterwegs ist, kann diese Organisation einem sehr viele Ratschläge geben.Ich danke der Organisation für die freundschaftliche und offene Begegnung, sowie für die netten Abende in verschiedenen Lokalitäten. Nun bin ich wieder zurück und habe das letzte Ausbildungsjahr vor mir. Die leichte Bräune meiner Haut ist nun wieder verblasst und ich bin zurück im Alltag angekommen. Denoch bin ich nicht die gleiche Person oder sagen wir Persönlichkeit, wie vor der Reise. All diese Erfahrungen haben etwas mit mir gemacht – sie haben meinen Blick noch mal in andere Richtungen gelenkt, mich dazu gebracht mich intensiv mit meinem und unserer Lebenswelt auseinanderzusetzen und mein Herz berührt. Ich bin sehr dankbar für diese Zeit und stolz darauf, mich auf dieses Abenteuer eingelassen zu haben.